Tour de Herz ❤ - Tourbericht

biep, biep, biep ... es ist 03:30 Uhr, als mich der Wecker aus dem Schlaf reißt. Ich bin vor zwei Tagen erst umgezogen, öffne die Augen und frage mich, wo ich denn bin. Es dauert wenige Sekunden, bis ich noch völlig neben mir checke, wo ich mich befinde und warum zur Hölle an einem Samstag um 03:30 Uhr der Wecker klingelt.

Ich kämpfe mich aus dem Bett und versuche einen klaren Kopf zu bekommen. Erst einmal unter die Dusche und dann Kaffee, dann wird das schon. Nach der Dusche schaue ich auf die Uhr ... 1 Stunde und 5 Minuten bis ich meine persönliche "Tour de Herz" starte. Der Kaffee ist inzwischen durchgelaufen und mein Rad bereits fertig, denn das hatte ich "gestern Abend" (Freitag) bereits komplett fertig gemacht.

Ich ziehe mich an, ich frühstücke, denn "ohne Mampf kein Kampf"! Es liegen immerhin über 300 Kilometer vor mir, da will der Körper mit Energie versorgt werden. Zum Frühstück gab es ganz normal "Frischkäse mit Marmelade"-Brote. Um 4:50 Uhr habe ich gegessen, Kaffee getrunken und habe mein Rad (in der Wohnung) neben mir. Ein letzter Blick, ob wirklich alles zu ist und dann geht es vor die Tür.

Zu meiner "Überraschung" - es sind immerhin erst kurz vor 5 Uhr morgens - steht vor der Tür der Detlef und Klaus-Dieter, die ich beide von den ADFC Afterwork-Touren kennen. Wenige Minuten später kommt auch der Norbert mit seinem Tourenrad noch dazu. Das tut der Motivation schon recht gut. Wir hatten zwar drüber gesprochen, dass man mich auf den ersten Kilometern motivierend begleiten möchte, aber das dann gleich Drei am Morgen vor meiner Tür stehen, damit hatte ich nicht gerechnet und pünktlich um 05:00 Uhr rollen wir los.

Detlef und ich fahren nebeneinander und qutaschen, Norbert und Klaus-Dieter hinter uns. Wir rollen easy über die noch sehr wenig von Autos befahrenen Straßen. Kaum sind wir aber aus der Stadt raus, sind es gefühlt 5-8 Grad weniger. Ich bin sehr froh, doch mit Armlingen losgefahren zu sein. Und so rollen wir zum ersten Checkpoint. Die Position vorne neben mir wechselt sich regelmäßig durch. Wir quatschen während der Fahrt über "Gott und die Welt" und so verfliegen die ersten 40 Kilometer bis zum 1. Checkpoint wie flug. Wir halten bei der alten Lock und machen die Fotos. Ich von meinem "Motivations-Team" und Detlef von mir, wie ich vor der Lock stehe. Wir halten uns dann aber nicht lange auf und fahren weiter. Der Verkehr hat mittlerweile zugenommen und es ist jetzt doch schon richtig hell. Mit der Lock haben wir auch die Naturschutzgebiete "Bachter Wald" und "Heidemore" hinter uns gelassen und radeln über Herkenbosch weiter nach Rosendaal.

Hier an der Abzweigung ist dann nach 3,5 Stunden die Trennung von der Motivations-Crew. Die "Jungs" radeln nach 80 Kilometern von hier zurück nach Mönchengladbach, während es für mich allein weiter geht zum westlichsten Punkt Deutschlands, den ich nach ziemlich genau 4 Stunden erreiche. Das Toilettenhäuschen ist - zu meiner Freude - wieder geöffnet (war während Corona geschlossen). Danach geht es zum Fotopunkt. Aber auch hier will ich mich nicht lange aufhalten, denn ich möchte in 10 Kilometern noch einmal frühstücken. Und so geht es nach dem Foto auch gleich wieder los.

Als ich dann nach 98 Kilometern in Süsterseel um eine Ecke komme, sehe ich das Schild einer Bäckerei. Das bedeutet Kaffee und was richtiges zum Essen. Es sind ca. 09:30 Uhr und ich habe mir vorgenommen, um 10:00 Uhr wieder auf dem Sattel zu sitzen. Also einen Kaffee, ein Brötchen und ein Plunder geholt und draußen zum Rad gesetzt. Als Brötchen und Plunder auf und der Kaffee leer sind, hole ich mir noch einen Kaffee nach, ich habe noch Zeit. Um 09:55 Uhr ist auch dieser leer, ich ziehe mir die Armlinge aus und fange an mich mit Sonnenmilch einzucremen. Die Leute auf dem Parkplatz schauen schon ein wenig komisch, aber egal. Um 10:02 Uhr sitze ich wieder im Sattel, im Kopf denke ich nur "nächster Halt: Indeman"

Da ich in Süsterseel vergessen hatte die Wasserflaschen aufzufüllen, es die letzten 40 Kilometer fast überwiegend über offene Feldwege ging und auch die Temperaturen bereits bei um die 26 bis 28 Grad lagen, war mein Wasserverbrauch schon recht hoch. Als ich nach 150 Kilometern dann endlich in "Neu Pattern" ankomme, sehe ich auf der anderen Straßenseite diverse Geschäfte und Tankstellen. Ab zur Tankstelle und erst einmal zwei Liter Wasser und zwei kleine Cola besorgt.

Die eine Cola trinke ich direkt leer, die Zweite kommt hinten in die Trikottasche. Die Wasserflaschen kippe ich in meine leeren Wasserflaschen am Rad um. Nach gut 20 Minuten Aufenthalt geht es auch hier weiter, zurück in die Sonne. Also weiter zum Indeman, der jetzt nicht mehr zu weit weg sein sollte. Nur 12 Kilometer später - bei Kilometer 161 - bin ich oben. Da man hier gerade einen Triathlon aufbaut, stehe ich hier nur im Weg herum und will auch nicht weiter stören. Also auch hier nur das Foto gemacht und weiter. Es ist jetzt kurz nach 13 Uhr und ich gehe die Route in Gedanken durch. 161 Kilometer geschafft, also knapp über die Hälfte, aber auch noch über 140 Kilometer zu fahren ... und so rolle ich vom Indeman wieder herunter.

Nach 193 Kilometern und 9 Stunden und 32 Minuten Fahrt erreiche ich das "Forum :terra nova". Die Sonne brennt seit 12 Uhr gnadenlos herunter. Es ist ca. 14:30 Uhr und ich mache meine geplante Mittagspause. Ich bestelle mir einen Milchkaffee und zwei Stücke Apfelkuchen. So blöde das jetzt klingt, aber es war einer der besten Apfelkuchen, die ich bisher hatte, war aber nach einem Stück vom Magen her dicht! Mit etwas würgen schaffe ich noch die Hälfte vom 2. Stück, muss dann aber aufhören. Zu schade um den guten Kuchen...

Hilft alles nichts, also das Checkpoint-Foto gemacht und weiter über die ehemalige Bandtrasse Richtung Raketenstation. Als ich nach 10 Stunden und 28 Minuten und 207 Kilometern am "Ende" von ":terra nova" ankomme, kommt mir ein Rennradfahrer entgegen, der mir sehr bekannt vorkommt. Ich drehe mich um und fahre langsamer, er dreht um und holt mich ein. Es ist Bernd aus meinem Rennradverein. Er fragt, ob ich Hilfe brauchen kann. Na die nehme ich gerne an und fahre von nun an in seinem Windschatten.

Auf einem Feldweg bei Neurath (Kilometer 211) kommt von hinten eine größere Rennradgruppe von Hopper Cycling ( https://www.hoppercycling.de/ ) und man bietet uns an, uns einfach hinten dran zu hängen. Auch das nehmen wir an, aber leider führt mein Kurs schon zwei Kilometer weiter in eine andere Richtung. Ich bedanke mich recht herzlich für die kurze "Taxifahrt" und hänge mich wieder hinter Bernd, der mich - von einer kurzen Trinkpause abgesehen - bis zur Raketenstation bei Kilometer 232 ziehen will. Bis dahin ist aber noch ein wenig und bei Barrenstein merke ich, wie ich leichte Krämpfe in den Oberschenkeln bekomme. Bernd hat noch zwei Magnesium-Tabeletten und wirft mir diese dankenswerterweise in meine Trinkflasche. Eine "fatale Entscheidung", wie sich später herausstellen sollte, denn ich tauschte auf diesem Weg die Krämpfe in den Beinen gegen ein Dauer-Übelkeitsgefühl. Es war wohl ein wenig zu viel Magnesium auf einmal für meinen Magen in der kurzen Zeit.

An der Raketenstation (Kilometer 232) treffen wir Hans, der mir vor Wochen schon angeboten hat, mich moralisch auf den letzten Metern zu unterstützen. Im WC-Bereich der Raketenstation füllen wir noch einmal unsere Flaschen, bevor Bernd die Rückreise Richtung Grevenbroich antritt, während Hans und ich aufbrechen in Richtung Neuss, wo uns nach wenigen Metern der Oliver (3RadLader) mit seinem Rennrad entgegen kommt und sich uns anschließt. Immer, wenn Oliver und Hans vorne fahren, werden die beiden mir zu schnell. Ich muss schneller treten um dranzubleiben und durch die höhere Herzfrequenz wird das Übelkeitsgefühl stärker.

In Neersen (Kilometer 257) brauche ich dringend eine Pause. Oliver spendiert eine Cola und hier treffe ich die Entscheidung, nicht mehr hinter den beiden fahren zu wollen. Ich fahre wieder vorne im Wind in meinem eigenen Tempo und Hans und Oliver hinter mir. So kann ich genau mein Tempo fahren bei einer Herzfrequenz von um die 120, bei der sich das Übelkeitsgefühl in Grenzen hält. Es ist dabei aber gut zu wissen, dass mir "nichts passieren kann". Ok, kann schon, aber wenn, dann sind zwei Leute da, die mir helfen würden.

Es sind noch ca. 20 Kilometer bis zum letzten Foto-Checkpoint und dann noch einmal ca. 30 Kilometer bis nach Hause. Auf dem Weg zum letzten Foto-Checkpoint (den Weg kenne ich auswendig) habe ich den Kopf nur noch "nach unten" und schaue immer nur kurz nach vorne auf den Weg. Ich habe den Kopf "leer" und die Beine treten einfach immer weiter, weiter und weiter... und dann sind wir da, auf den Bahnradweg bei Grefrath Richtung Nettetal. Die Freude ist trotz des Übelkeitsgefühls schon sehr groß. 276 Kilometer an einem Tag ... am Stück, bin ich noch nie zuvor gefahren. Oliver macht das Foto und dann geht es weiter, die letzten 30 Kilometer!

Noch auf dem Bahnradweg bei Nettetal steht plötzlich Ben mit seinem Rad auf dem Radweg und als wir ihn erreichen, reicht er mir gleich eine Dose Cola. Energie kann ich immer brauchen! Tolle Überraschung und auch er begleitet mich die letzten 27 Kilometer bis nach Hause.

"Keine besonderen Vokommnisse" hätte ich vor 25 Jahren bei der Bundeswehr gesagt. Im Grundsatz war es eine "ereignisarme Tour". Auch mal schön, so ganz ohne Nahtoderfahrungen eine so lange Strecke zu fahren. Auf die Übelkeit, die ich auf die Überdosierung des Magnesium zurückführe, hätte ich verzichten können, aber aus Fehlern lernt man.

Das Ben am Ende noch aufgetaucht ist, war eine echte Überraschung. Am Ortseingasschild von Windberg gibt es das obligatorische Abschlussfoto. Es ist 19:45 Uhr. Ich bin fix und fertig und freue mich einfach nur noch auf die Dusche. Meine Beine sind "schwarz". Durch die Sonnencreme ist der ganze Dreck quasi an den Beinen kleben geblieben.

Alles egal, alles vergessen. Mit der sinkenden Herzfrequenz wird auch die Übelkeit immer besser und ist am nächsten Morgen nicht mehr vorhanden. 307 Kilometer ... die Tour war vielleicht nicht die "Schönste", aber sie war für einen guten Zweck und deswegen bin ich stolz, sie bis zum Ende gefahren zu sein.

Hiermit möchte ich mich noch einmal bei allen bedanken, die mich während der Fahrt unterstützt haben!
Detlef, Norbert, Klaus-Dieter - die Motivations-Frühschicht bis Rosendaal,
Bernd, die Zugmaschine vom Ende :terra nova bis zur Raketenstation
Hans uns Oliver, die mich von der Raketenstation und
Ben ab Nettetal alle drei bis zum Ende begleitet haben.

307 Kilometer sind eine lange Strecke. Sie wird gefühlt immer länger, wenn man weiss, was einen erwartet, man den Weg also kennt. Aber der Support von euch war einfach MEGA und unbezahlbar!

Und ich danke hiermit noch einmal ausdrücklich jeder einzelnen Person, die mich mit einer Spende unterstützt hat und wir dadurch so eine tolle Spendensumme erreicht haben. Einen "besonderen Dank" möchte ich an dieser Stelle noch an "Bernhard und Martina" senden. Die beiden geben jedes Jahr eine Gartenparty und sammeln ebenfalls für den "guten Zweck". Dieses Jahr haben sie sich entschieden, das Geld der Gartenparty ebenfalls für "meine Tour", und damit der Aktion "Herz bewegt" zu spenden.

Ich kann euch allen gar nicht so viel Dank ausprechen bzw. mich immer nur wiederholen ... DANKE! Danke, dass ihr mich und die Aktion unterstützt habt. Es hat auch mich während der Fahrt immer wieder motiviert, einfach weiterzufahren. So kam zumindest zu keinem Zeitpunkt der Gedanke auf, die Tour abzubrechen oder abzukürzen.

307 Kilometer sind ein langer Tag...

1. Checkpoint - Alte Lock in Brüggen
1. Checkpoint - Alte Lock in Brüggen
Das Motivations-Supportteam vom 05:00 Uhr für die ersten 80 Kilometer.
Das Motivations-Supportteam vom 05:00 Uhr für die ersten 80 Kilometer.
2. Checkpoint - Der westlichste Punkt Deutschlands
2. Checkpoint - Der westlichste Punkt Deutschlands
3. Checkpoint - Am Indeman
3. Checkpoint - Am Indeman
4. Checkpoint - Forum :terra nova
4. Checkpoint - Forum :terra nova
Mein Mittagessen am Forum :terra nova
Mein Mittagessen am Forum :terra nova
Bauten am :terra nova Radweg.
Bauten am :terra nova Radweg.
Das Hopper Cycling-Taxi ... leider nur für 2. Kilometer - Danke!
Das Hopper Cycling-Taxi ... leider nur für 2. Kilometer - Danke!
Ab Ende :terra nova meine Zugmaschine: Bernd!
Ab Ende :terra nova meine Zugmaschine: Bernd!
Kurze Trinkpause nach 229 Kilometern
Kurze Trinkpause nach 229 Kilometern
5. Checkpoint - Raketenstation bei Neuss
5. Checkpoint - Raketenstation bei Neuss
Zugmaschine: HaRi ab der Raketenstation
Zugmaschine: HaRi ab der Raketenstation
6. Checkpoint - Flugzeugmodel am Bahnradweg bei Grefrath Richtung Nettetal
6. Checkpoint - Flugzeugmodel am Bahnradweg bei Grefrath Richtung Nettetal
Supportcrew seit der Raketetnstation: HaRi (rechts) und Oliver (mitte).
Supportcrew seit der Raketetnstation: HaRi (rechts) und Oliver (mitte).
Kurz nach dem Flugzeugmodel kam dann noch Ben (3. von links) dazu für die letzten 29 Kilometer.
Kurz nach dem Flugzeugmodel kam dann noch Ben (3. von links) dazu für die letzten 29 Kilometer.